Culture LAB - ein Bildungsprogramm mit Künstler:innen für Kinder, Jugendliche und Familien
Ein Forschungsprojekt von Prof. Dr. Werner Thole und Tim Isenberg (M.A) in Kooperation mit dem Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt und der Crespo Foundation
Culture LAB - Ein Bildungsprogramm mit Künstler:innen für Kinder, Jugendliche und Familien
Wissensstand
Spätestens seit dem Nationalen Bildungsbericht mit dem Schwerpunktthema „Kulturelle Bildung“, der die zentrale Bedeutung non-formaler Bildungsangebote für die musisch-kulturellen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen in den Bereichen Darstellende Kunst und Musik herausstellt, wird außerschulischen musisch-künstlerischen, kulturell-ästhetischen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland eine hohe Relevanz zugewiesen. Trotz einigen Forschungs- und Evaluationsbefunden scheint bislang nach wie vor weitgehend ungeklärt, welche Bedeutung und Wirkung dem Engagement von Kindern und Jugendlichen in den ästhetisch- und musisch-kulturellen Angebotsbereichen zukommt.
Kulturelle Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen sind bislang vor allem im schulischen Bereich sowie im Rahmen „musikalisch“-orientierter Studien umfangreicher untersucht worden. Die vorliegenden Ergebnisse weisen auf eine positive Veränderung fachlicher Fertigkeiten als auch sozial-kommunikativer Kompetenzen über musikalische Angebote (formal und informell) hin. Zu Sparten wie Theater, Tanz, Film und digitale Medien und auch Bildender Kunst im Bereich der außerschulischen Bildung liegen bisher weniger sichere Ergebnisse vor.
Fragestellung und Ziele
Anknüpfend an die Feststellung, dass Kinder und Jugendliche durch die jetzt über zwei Jahre bestehende pandemische Lage besonders betroffen sind, hat die Stadt Frankfurt am Main einen Aktionsplan „Kulturelle Bildung“ als ein Teil des Corona Aktionsplans aufgelegt. Unter dem Titel „CultureLab für Kinder, Jugendliche, Familien und Künstler:innen – ein Bildungsprogramm“ werden vom Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt am Main und der Crespo Foundation in den kommenden zwei Jahren kulturell-ästhetische Projekte in unterschiedlichen Kinder- und Jugendeinrichtungen in Frankfurt realisiert und mit einer nachhaltigen, also auf Dauer gestellten Perspektive über die aktuelle Förderphase hinaus implementiert. Aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe wie aus einer allgemeinen Forschungsperspektive ist
• erstens interessant, welche Wirkungen respektive Effekte sich über eine Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an den Angeboten, Kursen und Projekten ergeben,
• zweitens von Bedeutung, ob sich die organisationalen, inhaltlichen und personellen Bedingungen in den Einrichtungen, in denen die Angebote realisiert werden, veränderten, neue Angebote kreiert und eingerichtet sowie neue pädagogische Praktiken realisiert werden konnten oder realisiert werden sollen
• und drittens von Interesse, welche Erlebnisse und Erfahrungen die beteiligten Künstler:innen zu berichten wissen, wie sie die Projekte werten und im Kontrast zu anderen Aktivitäten sehen.
Methodik
Kinder- und Jugendliche – Teilnehmendenbefragung
In möglichst vielen der 40 Angebote sollen alle teilnehmenden Kinder und Jugendliche zu Beginn des Angebotes und am Ende des Angebotes mittels eines standardisierten Fragebogen befragt werden. Erhoben werden mit einem längsschnittlichen Design die Veränderung zwischen Beginn und Ende der Angebote. In den Analysen wird davon ausgegangen, dass für die Frage der Wirkungen und des Erlebens von Bildungsprozessen unterschiedliche Einflüsse relevant sind, wie der soziale Kontext, Alter und Geschlecht, individuelle Voraussetzungen sowie die Struktur- und Prozessqualität der Angebote. Über die für die Befragungszeitpunkte konzipierten Fragebögen werden neben Selbsteinschätzungen von Persönlichkeitsmerkmalen die Selbsteinschätzungen bezüglich des erworbenen Wissens und Könnens erfasst.
In einer nicht standardisierten, gesprächs- und diskursorientierten Teilstudie wird sich der Blick auf die soziale Seite kulturell-ästhetischer Angebote richten. Fokussiert wird damit der Zusammenhang der jeweiligen Gruppenkonstellationen in den Angeboten und der in diesem Rahmen angebotenen kulturell-ästhetischen Inhalte, Bildungszugänge, -erlebnisse und -erfahrungen. So können die Deutungen und Thematisierungen der Herananwachsenden von ihrer Teilnahme an den Angeboten und von den ästhetisch-kulturellen Angeboten generiert werden. Insgesamt sollen zwischen vier und sechs nach dem theoretical sampling ausgewählte Gruppeninterviews erhoben werden.
Gruppendiskussion mit Pädagog:innen der Einrichtungen
Mit Pädagog:innen respektive Vertreter:innen der Einrichtungen sollen zwei bis drei Grup-pendiskussionen durchgeführt werden. An den Diskussionen sollen Pädagog:innen aus unter-schiedlichen Einrichtungen teilnehmen, von ihren Erfahrungen in Bezug auf einen kontrovers modellierten Eröffnungsstimulus berichten, diese besprechen und diskutieren. Zentral registriert werden können so Deutungen und Thematisierungen der Pädagog:innen bezüglich der Relevanz und der Effekte der kulturell-ästhetischen Angebote.
Gruppendiskussion mit Künstler:innen
In zwei bis drei Gruppendiskussionen mit Künstler:innen aus unterschiedlichen Sparten sollen diese, über einen kontrovers modellierten Eröffnungsstimulus initiiert, ihre Erfahrungen austauschen und insbesondere die Bedeutungen und die aus ihrer Sicht wahrnehmbaren Effekte der kulturell-ästhetischen Angebote diskutieren.
Die über das Forschungsvorhaben generierten Befunde werden dem Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt am Main, den beteiligten Einrichtungen und Künstler:innen sowie der Crespo Foundation parallel zum Forschungsvorhaben vorgestellt. Anvisiert wird u. a., erste Ergebnisse zu Beginn des Jahres 2023 im Rahmen eines Jour Fixe vorzustellen und zu besprechen. Bis zur Vorlage des Endberichtes Mitte 2024 sollen zudem in der zweiten Jahreshälfte 2023 Zwischenergebnisse zugänglich gemacht und diskutiert werden. Neben der Erstellung von wissenschaftlichen Publikationen wird zudem eine von allen Beteiligten – Forscher:innen, Künstler:innen, Pädagog:innen und Projektverantwortlichen – erstellte Handlungsempfehlung erarbeitet. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden in die Handlungsempfehlung einfließen.
Literaturauswahl zum Thema
Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012). Bildung in Deutschland 2012. Bielefeld.
Calmbach, Marc/Rhein, Stefanie (2007): DIY or die! – Überlegungen zur Vermittlung und Aneignung von Do-it-yourself-Kompetenzen in der Jugendkultur Hardcore. In: Göttlich, U./Müller, R./Rhein, St./Calmbach, M. (Hrsg.): Arbeit, Politik und Religion in Jugendkulturen (69-86). Weinheim: Ju-venta.
Grgic, Mariana/Züchner, Ivo (2013): Medien, Kultur und Sport. Was Kinder und Jugendliche machen und ihnen wichtig ist. Die MediKus-Studie. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.
Kamp, Peter/Nierstheimer, Julia (2012): Alle Künste unter einem Dach – Jugendkunstschule als konzeptioneller Rahmen. In: Zacharias, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch Kulturelle Bildung. München: kopaed.
Lindner, Werner (2003): „Ich lerne zu leben“. Evaluation von Bildungswirkungen in der kulturellen Kinder- und Jugendarbeit in Nordrhein-Westfalen. Unna: LKD.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS): JIM-Studie 2020. Jugend, Information, (Multi)-Media). Stuttgart: mpfs.
Nohl, Arnd-Michael (2013): Komparative Analyse. Forschungspraxis und Methodologie dokumentarischer Interpretation. In: Bohnsack, R./Nentwig-Gesemann, I./Nohl, A.-M. (Hrsg.): Die dokumen-tarische Methode und ihre Forschungspraxis (271-293). Wiesbaden: Springer.
Preiß, Christine (2008): Leben und Lernen mit Musik. In: Wahler, Peter/Tully, Claus J./Preiß, Chris-tine (Hrsg.): Jugendliche in neuen Lebenswelten (2. erw. Aufl.) (143-164). Wiesbaden: VS.
Rohde, J./Thole, W. (Hrsg.) (2021): Kulturell-ästhetische Bildungsprozesse in Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Projekten. Wiesbaden: Springer VS.
Thole, Werner/Züchner, Ivo/Stuckert, Marina/Müller, Roy/Rauschkolb, Jaqueline (2017): „... auf jeden Fall anders als Schule und [...] viel entspannter“. Bildungsprozesse in kulturell-ästhetischen Projekten (JuArt). In: Rat für Kulturelle Bildung e.V. (Hrsg.): Wenn. Dann (20-30). Essen.http://www.rat-kulturelle-bildung.de/fileadmin/user_upload/pdf/RKB_02_ABSCHLUSSBE-RICHT_08_WEB.pdf.